Heft 11

Ältere Migrant/-innen und Medien

Heftverantwortung:  Hans-Dieter Kübler & Wolfgang Reißmann



Von der Politik, aber auch von der Wissenschaft, sind Migrant/-innen großenteils nur kursorisch beachtet worden, keinesfalls entsprechend ihres gesellschaftlichen Gewichts und der (unterschiedlichen) Probleme, die sich mit ihrer – pauschal gesprochen – „Integration“ ergaben und noch ergeben. Diese Defizite fallen besonders deutlich ins Gewicht, wenn bestimmte Themen- und Handlungsfelder wie hier die Nutzung von Medien aufgegriffen werden. Während die bundesdeutsche (Mehrheits-)Gesellschaft allein schon wegen ihrer Relevanz für Medienkonsum und Werbung kontinuierlich mit bewährten quantitativen Parametern vermessen wird, existieren für die Migrantenminderheiten allenfalls gemeinhin auf die jugendliche Population fokussierte Fallstudien. Doch inzwischen sind ihre Angehörigen zumal der ersten Migrationsgenerationen selbst in die Jahre gekommen. Sie befinden sich bereits im Rentenalter und haben spezielle Mediensozialisationen und -biografien vorzuweisen, die analytisch weithin unbekannt sind. Schätzungsweise gut eine Million davon sind über 65 Jahre alt und damit in Rente oder im Ruhestand. Ältere Migrant/-innen jedweder Ethnie und/oder Nationalität sind für die hiesige Sozial- und Medienforschung nahezu unbekannte soziale Wesen.


Inhaltsverzeichnis

 

Rainer Geißler & Hans-Dieter Kübler

(Ältere) Migrant/-innen und Medien: Problemaufriss und Forschungsstand

Zusammenfassung: Der Beitrag liefert eine Einführung in und einen Überblick über die Dimensionen des Themenschwerpunkts und der damit befassten Forschung. Die Integration von Migrant/-innen ist nicht nur eine soziale und gesellschaftliche Aufgabe, sie wird auch den Medien normativ zugeschrieben. Einleitend expliziert der Beitrag, welche ethnischen Gruppen nach gängigen Definitionen überhaupt zu den Migrant/-innen gehören und welche Populationen die Migrationsgeschichte in Deutschland nach Ende des zweiten Weltkriegs geprägt haben. Die folgenden Kapitel zeigen entlang der üblichen Dimensionen des Kom-munikationsmodells die verfügbaren Erkenntnisse und Studien auf. Der vor allem interessie-renden Mediennutzung und -aneignung wird die größte Aufmerksamkeit gewidmet. Die vor-liegenden und hier systematisierten Studien folgen gewissen Konjunkturen der Beachtung, können aber kein komplettes, empirisch gesättigtes Tableau über den Mediengebrauch älte-rer Migrant/-innen liefern.

Older migrants and media: Issues and state of research

Abstract: The paper is intended to give an overview on the special issue’s topic and related research. Integration of migrants is not only a social and societal challenge, but a normative task ascribed to media. In the first part, the paper introduces definitions of different groups of migrants and traces the major populations in Germany after the end of World War Two. Us-ing common divisions in communication models, the following chapters present existing studies and their findings. Most emphasis is on media use and appropriation. The available studies follow certain rhythms of attention. However, they do not provide for an empirically saturated understanding of older migrants’ media use.


Sünje Paasch-Colberg & Joachim Trebbe

 

Mediennutzung von älteren Menschen mit Migrationsgeschichte

Zusammenfassung: Der Beitrag beschreibt eine Sekundäranalyse der Daten des sozioökonomischen Panels (SOEP) für Personen ab 60 Jahren mit persönlicher oder elterlicher Migrationserfahrung. Für zwei Gruppen, die 60- bis 70-Jährigen und die über 70-Jährigen, wird der Frage nachgegangen, wie sie sich im Hinblick auf die sprachgebundene Mediennutzung verhalten: Bevorzugen sie – auch bei länger bzw. generationenübergreifender Migrationserfahrung – die Herkunftssprache oder dominiert die deutsche Sprache bei der alltäglichen Mediennutzung? Weiter wird die sprachgebundene Mediennutzung der Befragten mit Indikatoren des sozialen Kontextes (Geburtsort, Selbstidentifikation als Deutsche, Parteineigung, Erwerbstätigkeit) in Bezug gesetzt und untersucht, inwiefern die Sprache der Mediennutzung mit den genannten Faktoren variiert. Dabei ergibt sich u. a., dass vor allem ältere Migrantinnen und Migranten mit starker Selbstidentifikation als Deutsche eine starke Präferenz für die deutschsprachige Mediennutzung zeigen – auch wenn die Heimatsprache weiterhin im individuellen Medienrepertoire Bestand hat.

Abstract: This paper analyses the language of media use of senior migrants living in Germany: Conducting a secondary analysis of survey data gained in the German Socio-Economic Panel (SOEP) in 2014, we re-examine data for respondents aged 60 years and older with a migration history, i. e. people who either migrated to Germany themselves or whose parents migrated to Germany. Comparing two different age groups (people aged between 60 and 69 years as well as people aged 70 years and older), we investigate the language of their media use and ask to what extent senior migrants use German language media and media in the language of their country of origin. To further investigate how the social context might explain the variations found between the two age groups, the language of media use is described with respect to different indicators of social integration (country of birth, self-identification, party affiliation, employment). The results indicate that especially older migrants with a strong sense of belonging to Germany use German language media exclusively in their everyday lives. 


Wolfgang Reißmann

Medienaneignung türkischer Migrationsgenerationen erforschen und Migration im Museum zeigen. Ein Interview mit Dr. Bora Akşen


Laura Sūna

Theoretische Überlegungen zur Herstellung von Zugehörigkeit und kultureller Nähe durch die Aneignung kultureller Medieninhalte bei älteren Migrant/-innen


Anne Weibert, Konstantin Aal, David Unbehaun & Volker Wulf

 

Geteilt vernetzt: Ausprägungen des Digital Divide unter älteren Migrantinnen in Deutschland

Zusammenfassung Der wissenschaftliche Diskurs um die Relevanz gleichberechtigten Zugangs zu moderner Kommunikationstechnologie für gute soziale und wirtschaftliche Entwicklungschancen hat mit der ‚digitalen Kluft‘ ein eindrückliches Bild, das infolge unterschiedlich ausgeprägter Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) entstehende Wissensklüfte verdeutlicht. Mit der rasanten (Weiter-)Entwicklung moderner Technologien und der Verbreitung sozialer Medien sind die konkreten Ausprägungen dieser Klüfte in der interkulturellen Stadtgesellschaft in stetem Wandel begriffen. Die qualitative Studie untersucht die positiven sowie negativen Ausprägungen des ‚Digital Divide‘ unter älteren Migrantinnen am Beispiel einer mittleren Großstadt in Deutschland und diskutiert soziale Strukturen, die auf lokaler, nachbarschaftlicher Ebene als ausgleichende Faktoren wirken können.

Connected apart: Characteristics of the Digital Divide among Older Migrant Women in Germany

Abstract: The scientific discourse on the relevance of equal access to modern communication technology for good social and economic development opportunities has found a matching image with the 'digital divide', which is illustrated by the nuanced use of information and communication technologies (ICT). With the rapid (further) development of modern technologies and the spread of social media, the concrete manifestations of these gaps in intercultural urban society are constantly changing. The qualitative study examines the positive and negative characteristics of the 'digital divide' among older migrant women, using the example of a middle-sized city in Germany. It discusses social structures that can act as a balancing factor at the local neighbourhood level.


Carola Richter

Flucht 2.0 – Auch für ältere Menschen? Überlegungen aus einem Forschungsprojekt zur Mediennutzung von Geflüchteten

 

 


Berichte aus Forschung und Praxis

 

Annette Bomba
Erstellung und Validierung von User Interface Design Guidelines mobiler Apps für ältere Menschen

 

Wolfgang Reißmann
Immer WEITER mit der BILDUNG: GAM-Jahrestagung 2017 in Leipzig

 

Rezensionen

 

Florian Preßmar (2017). Silver Surfer – Förderung der Medienkompetenz von Senioren. Weinheim, Basel: Beltz Juventa. 459 Seiten.
Rezension von Anna-Maria Kamin

Thomas Klie, Ilona Nord (Hrsg.) (2016). Tod und Trauer im Netz. Mediale Kommunikationen in der Bestattungskultur. Stuttgart: Kohlhammer Verlag. 224 Seiten.
Rezension von Katrin Döveling & Sarah Kohler

Cordula Endter, Sabine Kienitz (Hrsg.) (2017). Alter(n) als soziale und kulturelle Praxis. Ordnungen – Beziehungen – Materialitäten. Bielefeld: transcript. 364 Seiten.
Rezension von Hans-Dieter Kübler