Heft 3

Diversitärer Medienumgang Älterer

Heftverantwortung: Hans-Dieter Kübler & Bernd Schorb



Abstracts der Themenschwerpunkt-Artikel

 

 

Bernhard Engel

 

Mediennutzung im Alter: Analysen zur Medienausstattung und Mediennutzung auf Basis der Studie Massenkommunikation 1970-2010

Die technologische Entwicklung im Medienbereich hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich beschleunigt. Im Langzeitvergleich stellt sich damit die Frage, ob diese Entwicklung zu einem Digital Divide führt und die älteren Menschen nicht mehr an neuen Entwicklungen partizipieren. Anhand der ARD/ZDF Langzeitstudie Massenkommu¬nikation ist die langfristige Entwicklung des Zugangs zu Medientechnologien und der Medien-nutzung 1970-2010 in den älteren Altersgruppen untersucht worden. Radio und Fernsehen sind für die älteren Menschen die dominierenden Medien; im Zeitverlauf haben die älteren Menschen an der Ausweitung des Medienzeitbudgets partizipiert. Bei einer Kohortenbetrachtung zeigt sich, dass die Menschen im Lebensverlauf nicht an einem bestimmten Entwicklungsstand der Medienentwicklung „stehen bleiben“. Die Entwicklungen sind hierbei unterschiedlich: Während die Nutzung des Internets durch die ältere Generation vergleichsweise gering bleibt, ist die Nutzung von Flatscreens für das Fernsehen auch für ältere Menschen eine sehr attraktive neue Medientechnologie.

 

Media usage in old age: Analyses of the elderly’s media access and usage on the basis of “Studie Massenkommunikation 1970-2010“

The development of media technologies has accelerated significantly during the last decades. One question is, whether there is a digital divide and older people cannot take part in new media developments. On the basis of the “ARD/ZDF Langzeitstudie Massenkommunikation” (cross sectional long term study about mass communication) several analyses with the focus on access to media technologies and media usage of the elderly have been conducted. Radio and TV are the most important media for the older generation; during the last decades the older generation also took part in the increasing time use for media. A cohort analysis shows that the access to new media technologies does not stop at a certain point of the life cycle. However, the developments are different: internet usage does not increase very much amongst the older cohort while the penetration of TV flat screens grows rapidly.

 


Thomas Wilke

 

Senioren im Radio und Radio durch Senioren: Der Wandel von Mediennutzern zu Medienproduzenten im höheren Lebensalter am Beispiel von Funkreif.

Der vorliegende Beitrag fokussiert die Medienproduktion im höheren Lebensalter unter veränderten Bedingungen. Traditionelle Massenmedien zeichnen sich in ihren Produktionsbedingungen für die jeweiligen Akteure durch einen Qualifikationsprozess aus, der nur selten durchbrochen werden kann. Bürgermedien wie Nichtkommerzielle Radios hingegen bieten Nischen, die frei sind von externen Vorgaben. Diese Nischen geben unter anderem Senior/-innen die Möglichkeit, sich im höheren Lebensalter medial zu artikulieren. Der folgende Beitrag zeigt anhand eines konkreten Beispiels den Weg von Radiohörer/-innen zu Radioproduzent/-innen. Mit dem Ziel, die spezifischen Möglichkeiten und Probleme zu diskutieren, wird eine Sendung des „Funkreif“-Projekts des Lokalradios Corax aus Halle/Saale analysiert.

 

Senior citizens in radio: From radio listeners to radio producers

This paper focuses the media production in older age under changing conditions. Traditional mass media are characterized in their production conditions for the relevant actors through a qualification process, which can be breached only rarely. Citizen media such as non-commercial radio, however, offer niches that are free of external specifications. These niches give the opportunity to articulate medially in the older age among seniors. The following article shows the way by radio listeners to radio producers on the basis of a concrete example. In order to discuss the specific possibilities and problems, this paper analyses a broadcast of the ‘Funkreif’-project of local radio Corax from Halle/Saale.

 


Thorsten Naab, Helmut Scherer, Katharina Emde, Agnes Dyszy, Stephanie Engel & Julia Sponer

 

Vertrautheit und Gewohnheit: Die Rolle der Mediennutzung in Senioreneinrichtungen

Durch die Abnahme traditioneller Familienmodelle werden immer mehr Menschen im Alter mit einem drastischen Lebenseinschnitt konfrontiert: dem Umzug von der eigenen Wohnung in eine Senioreneinrichtung, oft einhergehend mit abnehmenden gesundheitlichen, sozialen und finanziellen Ressourcen. In dieser Situation können Medien den Aufbau sozialen Kapitals unterstützen. Sie liefern aktuelle Informationen, schaffen soziale Identität und ermöglichen Gemeinschaft. In einer Befragung von 195 Seniorinnen und Senioren aus Senioreneinrichtungen haben wir die Rolle der Medien bei der Bewältigung des Umzugs in eine neue Umgebung untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass Medien als Sozialisationsinstanz weniger bei kurzfristigen Umbruchsituationen wirken, sondern vor allem zur langfristigen Stabilisierung beitragen.

 

Familiarity and habit: The role of media use in retirement homes

Due to the fading out of traditional role models, senior citizens are confronted with a dramatic change: moving from their own apartment into a retirement home. This change is most often associated with a decrease of healthiness and a loss of social and financial capabilities. In this situation the media might be potential catalyzers for social capital. They provide information on the world affairs, strengthen the residents’ social identities and provide a low cost joint action. We investigated the role of media use for coping the moving into a retirement home with a survey among 195 German senior citizens. The results indicate that the power of the media as socialization instance lies within their lifelong socialization rather than short term assistance in coping with social change.

 


Walter Wittkämper

 

Zur Bedeutung traditioneller Medien für pflegebedürftige Menschen im hohen Alter: Die mediengeragogische Perspektive

Pflegebedürftige alte Menschen jenseits von 80 Jahren befinden sich nach unterschiedlichen Konzepten der gerontologischen Literatur u.a. entweder im ‚alten Alter’, im ‚vierten Alter’ oder im ‚abhängigen Alter’. Diese auch als ‚hochaltrig’ bezeichneten Menschen werden im Beitrag nicht als ‚Pflegeobjekte’ aufgefasst, sondern als Persönlichkeiten mit lebenslangen individuellen Bedürfnissen nach Anregung und Bildung. Je nach Biografie und gesundheitlicher Verfassung kann für sie gerade auch der Umgang mit traditionellen Medien wichtig sein. Da ihren Potenzialen auch Einschränkungen gegenüberstehen, z.B. bei Demenz, muss das Medienhandeln dieser Menschen im hohen Alter adäquat fachlich begleitet werden, d.h. mit mediengeragogischen Methoden und Arrangements.

 

On the importance of traditional media for old people in need of care: the geragogical perspective of media use

According to different concepts in the gerontological literature, dependent people over the age of 80 are classified as – inter alia – belonging to ‚old age’, ‚fourth age’, or ‚dependent age’. In the article, the so-called ’very old people’ are not regarded as ‚objects of care’, but as personalities who need encouragement and lifelong education. Depending on both their biography and their state of health, the use of traditional media can be very important for them. As their capability may be limited by e.g. dementia, the use of media by the very elderly has to be professionally assisted, i.e. by means of geragogical methods and arrangements.

 


Ulrike Spree

 

Kulturelle Teilhabe ermöglichen: Möglichkeiten und Grenzen der zielgruppenorientierten Bibliotheksarbeit für Menschen mit Demenz

Bereits in frühen Phasen der Demenz werden die Betroffenen von der kulturellen Teilhabe ausgeschlossen. Bisher machen öffentliche Bibliotheken in Deutschland kaum Angebote für Menschen mit Demenz. Sie konzentrieren sich in ihrer Arbeit auf die geistig und körperlich ‚fitten Alten‘. Im Rahmen eines Kooperationsprojektes mit dem Competence Center Kompetenzzentrum Gesundheit der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Hamburg haben Studierende der Bibliotheks- und Informationswissenschaften untersucht, welchen Beitrag Bibliotheken dazu leisten können, von Demenz Betroffenen so lange wie möglich eine Teilhabe am kulturellen Leben zu ermöglichen. Im Rahmen des Projektes wurde ein integratives bibliothekarisches Gesamtkonzept einer zielgruppenorientierten Bibliotheksarbeit für Menschen mit Demenz erarbeitet und ein Themennachmittag zum Thema Reisen entwickelt und mit zwei Gruppen erprobt. Das resultierende Konzept ist so flexibel, dass es sich sowohl mit dementiell erkrankten Menschen in der Anfangsphase als auch mit solchen in einem fortgeschrittenen Stadium der Erkrankung durchführen lässt.

 

Enabling cultural participation: Possibilities and limits of integrative library work for persons suffering from dementia

Already in the early stages of dementia persons affected are excluded from cultural participation. Up to this point, public libraries in Germany focus their services on the group of mentally and physically healthy elderly people and rarely provide their services to persons suffering from dementia. As part of a cooperation project with the Health Competence Center at the Hamburg University of Applied Sciences (HAW), students of library and information sciences explored the potential of public libraries to contribute to allowing cultural participation as long as possible for persons with dementia. In the context of the project an integrative librarian model for library services for persons with dementia was developed and an afternoon event for travel, which has been tested with two groups, was designed. The resulting concept is so flexible that it can be performed for persons suffering from dementia both in an early and advanced stage of the disease.